Durch den aktuellen Fachkräftemangel rekrutieren immer mehr Organisationen Mitarbeitende aus dem Ausland. So kam es, dass in unseren verschiedenen Projekten QUBIC immer häufiger für Trans- und Interkulturelles Coaching angefragt wird. Unser Auftrag ist es, Menschen und Organisationen dabei zu begleiten, dass Fachkräfte schnell ankommen und integriert werden. Der folgende Beitrag fasst zusammen, was wir unter Trans- und Interkulturellen Coaching verstehen und was genau unsere Rolle ist. Wir teilen unsere Learnings und bewährten Arbeitsweisen aus der Praxis.
Trans- und interkulturelles Coaching ist eine besondere Form der Beratung. Dabei geht es darum, sich bewusst zu werden, wie Kultur das Verhalten von Menschen beeinflusst.
Interkulturelle Kompetenz bedeutet, in Situationen oder Beziehungen mit Menschen aus anderen Kulturen gut zu handeln. Diese Fähigkeit hängt von Einstellungen, Gefühlen, Wissen über verschiedene Kulturen und bestimmten Fähigkeiten ab. Es ist auch wichtig, sich selbst gut zu reflektieren.
Während es früher beim interkulturellen Coaching vermehrt darum ging, entsandten Mitarbeitenden für die Arbeit im Ausland vorzubereiten, liegt ein Schwerpunkt mittlerweile darin, Mitarbeitende mit Migrationshintergrund den Einstieg und das erfolgreiche Arbeiten in einem neuen kulturellen Umfeld zu erleichtern.
Hilfreich ist es im Vorfeld zwischen Interkultureller und Transkultureller Perspektive zu unterscheiden, da diese unterschiedliche Schwerpunkte im Coaching oder der Begleitung beinhalten :
Interkulturalität bezieht sich auf die Wechselwirkungen und den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen. Der Begriff betont die Anerkennung und den Austausch zwischen verschiedenen kulturellen Identitäten, oft in einem Kontext von Differenz und Abgrenzung. Ziel ist es, Verständnis, Respekt und Zusammenarbeit zwischen den Kulturen zu fördern.
Der Fokus liegt auf dem Gegenseitigen – dem Dialog und dem Austausch zwischen klar abgegrenzten Kulturen.
Transkulturalität geht über die Vorstellung von klar abgegrenzten Kulturen hinaus. Sie betont die Vermischung und die fließenden Übergänge zwischen verschiedenen kulturellen Einflüssen. Es geht darum, dass kulturelle Identitäten nicht starr sind, sondern sich ständig im Austausch und durch globale Vernetzung verändern.
Der Fokus liegt auf der Verschmelzung und den hybriden Elementen zwischen Kulturen und der Überschreitung kultureller Grenzen.
- Interkulturalität betont den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen, wobei jede Kultur ihre Eigenheiten bewahrt.
- Transkulturalität fokussiert auf Verschmelzungen und Übergänge zwischen Kulturen, bei denen diese Grenzen durchlässig sind und sich ständig verändern.
Themen eines interkulturellen Coachings können sein:
- kulturelle Unterschiede im Arbeitsalltag, wie Kommunikationsstile, Feedback-Kultur, Hierarchien und Umgang mit Vorgesetzten
- Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, wie Pünktlichkeit, Zeitplanung und Eigeninitiative sowie Selbständigkeit
- Teamarbeit und soziale Interaktionen, wie Teamdynamiken und Netzwerke
- Umgang mit Kritik und Konflikten
- Soziale Normen und Integration im Alltag, wie Verhalten im Alltag und interkulturelles Verständnis
- Interkulturelle Sensibilität und Offenheit, wie kulturelles Bewusstsein und interkulturelle Kompetenz
- sprachliche Integration, Berufssprache, Fachvokabular und auch Missverständnisse durch Sprache
- Identitätsentwicklung wie Unterstützung bei der Entwicklung einer Identität, die verschiedene kulturelle Einflüsse integriert oder Umgang mit Hybridität und Mehrfachzugehörigkeit,
- Interkulturelle und transkulturelle Kommunikation, wie Förderung von Kommunikationsstrategien, dem Erlernen von Kompetenzen für den Umgang mit kulturellen Missverständnissen und impliziten Vorannahmen.
- Diversity- und Inklusionskompetenz, z.B. der Sensibilisierung für Diversität und Inklusion in Teams und Organisationen und Strategien zur Förderung eines inklusiven Arbeitsumfelds oder der Umgang mit Diskriminierung und Vorurteilen sowie Förderung eines wertschätzenden und offenen Umgangs.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in transkulturellen Kontexten, wie der Stärkung der Resilienz und Flexibilität im Umgang mit wechselnden kulturellen Anforderungen.
- Konfliktmanagement in transkulturellen Situationen, wie dem Aufbau eines Verständnisses für verschiedene Konfliktlösungsstrategien und ihre Anwendung je nach kulturellem Kontext.
- Persönliche und berufliche Entwicklung in multikulturellen Kontexten, wie die Begleitung in der Karriereentwicklung für Menschen, die in verschiedenen kulturellen Umgebungen arbeiten oder arbeiten möchten.
- Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion in transkulturellen Kontexten
Mit welchem Schwerpunkt das Coaching stattfindet, ergibt sich zum einen aus der Zielgruppe und natürlich den gesetzten Zielen. Soll ein Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen erfolgen, um voneinander zu wissen und zu lernen, bietet das Interkulturelle Coaching eine gute Grundlage (z.B. bei der Einarbeitung ausländischer Fachkräfte). Sind Kulturen nicht klar abgegrenzt - auch im Sinne von Diversität, in der auch Soziale Herkunft, Weltanschauungen und Geschlecht eine Rolle spielen - dann bietet sich ein transkultureller Schwerpunkt an (z.B. Karriereentwicklung von Frauen mit Migrationshintergrund oder Führungskräfteentwicklung mit Blick auf Diversity-Kompetenz). Die Schwerpunktsetzung im Coaching entwickelt sich auch immer im Prozess mit den Coachingteilnehmenden, da wir als Coaches auf die Bedarfe der Teilnehmenden eingehen.
Auch die eingesetzten Methoden können bzw. sollten sich vom “normalen” Coaching unterscheiden. So werden Methoden aus der Kunsttherapie wie Malen oder Gestalten mit Ton oder ähnlichen Materialien sowie Methoden aus dem Psychodrama angewandt, da diese sich nicht so stark auf die Sprach- und verbale Ausdrucksfähigkeit der Coachingteilnehmenden fokussieren. Das entspannt häufig die Situation und beschleunigt den Prozess. Auch interkulturelle Fallstudien (z.B. Analysen kritischer Ereignisse, "Kulturassimilator"- Übungen oder mehrperspektivische Fall-Rekonstruktionen), interkulturelle Erkundungen (als reale, audio-visuelle oder simulierte Erkundungen) sowie komplexe Simulationen (z.B. Rollenspiele, interkulturelle Interaktionsspiele) bieten sich an.
In unserer Arbeit werden wir oftmals überrascht, wie viele unterschiedliche Kulturen in einer Organisation arbeiten. So arbeiten in einem großen Krankenhaus, das ein Projektpartner von QUBIC ist, zum Beispiel Mitarbeitende aus 120 Nationen zusammen.
Im Rahmen unserer Projekte GUDIN und AOGiV bieten wir unterschiedliche Formate an, in denen wir Teams und/oder Gruppen trans- und/oder interkulturell begleiten.
Bei GUDIN:
- im transkulturellen Mentoring werden Frauen mit Migrationshintergrund in ihrer Karriereentwicklung begleitet
- zur Stärkung der Integrationskompetenz werden Willkommensmentor:innen ausgebildet
- im Rahmen einer Führungskräfteentwicklung werden die Kompetenzen zum Führen diverser Teams weiterentwickelt
Bei AOGiV:
- interkulturelles Coaching von Auszubildenden aus sogenannten Drittstaaten zur besseren Integration
Die Grundlage für Trans- und Interkulturelles Coaching bei QUBIC
Unabhängig von der ausgewählten Perspektive - ob trans- multi- oder interkulturell - ist die Grundlage für das Coaching die Kulturreflexivität (nach Kirsten Narzakiewicz). Kulturreflexivität bedeutet mehrperspektivisch denken, Vielfalt anerkennen und Raum geben. Kulturbezogene Zuschreibungen werden infrage gestellt und das kritische Nachdenken über Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster von Individuen und Gruppen wird gefördert.
Insofern gilt die Kulturreflexivität nicht nur für trans- und interkulturelles Coaching, sondern ist die Grundlage einer professionellen Haltung eines jeden Coachings in einer diversen Gesellschaft.
Die Arbeit mit multikulturellen Teams und Coachees hat uns einmal mehr sensibilisiert, dass im Coaching hinter das Verhalten geschaut werden muss und die unsichtbaren, unbewussten und oft sehr unterschiedlichen Spielregeln in Organisations-, Fach- und Wertekulturen bedacht werden müssen. Kulturelle Diversität ist eine Ressource, die wir wirkungsvoll nutzen können und sollten.
Elke Krämer